…und überall Gewässer 3 – Brandenburg, eingezäunt

Glindowsee. Hatte ich noch nie gehört. Jetzt biege ich in eine sehr schmale Seitenstraße ab. Das Internet sagt, dass, wer hier zum Einchecken falsch parkt, direkt mit einem horrenden privaten Knöllchen rechnen muss. Mein Vorsatz ist also, den Brummi gleich allen Regeln entsprechend ganz brav an einem legalen Ort warten zu lassen.

Entgegen aller Befürchtungen weist der Campingplatz direkt am Eingang einen Wartebereich für die Anmeldung aus. Ich gebe mir, von der Inkasso-Knöllchen- Rezension bei Googlen noch immer eingeschüchtert, größte Einparkmühe und suche die Rezeption. Auch hier, warnt das Internet, könne man anecken. Die Chefin sei garstig und soll den einen oder anderen Google- Rezensenten grundlos angefaucht haben. Ich setze also auf überbordende Freundlichkeit und treffe, hinter einen brusthohen Tor, auf eine kleine, sofort sympathische Dame, die sich mit Namen vorstellt, sich entschuldigt, dass die Rezeption eine schlecht ausgeschilderte Notlösung sei, sie noch kurz den Müll wegbringe, mich dann aber wirklich sofort einchecke.

Angemault zu werden ist nach der Sache mit dem Parken schon die zweite Sorge, die sich innerhalb von Sekunden in Luft auflöst. Beim Anmelden werde ich freundlich mit Kurkarte, Flyern der Region und Infos zum angrenzenden Badestrand versorgt. Dann folgt eine detaillierte Einweisung in die Schlüsselkarte. Die nächsten zwei Tage verbringe ich damit, diese Karte alle paar Meter an einen Durchgang zu halten, um passieren zu dürfen. Im Sanitärgebäude, dessen Tür ich von innen mit der Klinke öffnen kann, weist mich ein großer Zettel darauf hin, bei Verlassen des Duschbereichs mit der Schlüsselkarte „ordnungsgemäß auszuchecken“. Offenbar werden hier Daten übers Rein und Raus der Gäste erhoben. Natürlich mache ich das nicht. Das Sicherheitssystem des Platzes vermutet nun wahrscheinlich, dass ich das Sanitär seit Dienstag, 16.00 Uhr nicht mehr verlassen, trotzdem aber alle möglichen Törchen zum Badesteg, Bootssteg, Müllplatz und zurück zu meinem Stellplatz bedient habe. Vielleicht hat mein ungehöriges Nichtauschecken zu diversen Sicherheitswarnungen und Computerabstürzen geführt. Ich finde aber, dass die freundliche Dame nicht wissen muss, wie lange ich im Sanitär für die Eins, die Zwei oder die Dusche brauche…

Die Tage verbringe ich auf dem leider stark von Algen befallenen Glindower See und mache einen wirklich schönen Fahrradausflug ins beschauliche Potsdam. Die Radwege sind super ausgebaut, Autos begegnen mir nur wenige und auch der Hund kommt in den Wäldern auf seine Jogging- Kosten. Eigentlich wollte ich mir in Ruhe Sanssouci anschauen, mache aber wegen 36°C Hitze und der unerbittlich auf die Freiflächen ballernden Sonne nur einen japanischen Fotostopp und verziehe mich zügig unter einen Sonnenschirm in der Fußgängerzone. Angesichts des Wetters entscheide ich mich für Chicken Teriyaki mit Jasminreis und Salat, nenne es aber, um die Betriebsabläufe nicht zu stören, der Karte entsprechend „Teriyaki Bowl“. Die Nähe zu Berlin und seinen Hipstern ist auch an Potsdam nicht spurlos vorüber gegangen.

Als ich am späten Nachmittag mit dem schon gewohnten „Düdüt“ der Schlüsselkarte zurück auf den Platz fahre bin ich froh, Ivos neuen Anhänger abzukuppeln und ohne große Umwege mit dem SUP auf den See zu starten. Der Algen wegen verzichte ich aufs Schwimmen und begnüge mich damit, hier und da an- und die Beine ins Wasser zu halten. Auch Ivo stellt sich am Ufer immer wieder bis zur Flauschplautze in den See. Davon, daraus zu trinken, rate ich ihm sicherheitshalber eindringlich ab.

Abends erscheint plötzlich ein Nachbar auf meiner Parzelle und wundert sich, dass der Hausmeister das so überhaupt nicht locker sieht. Der Mann, Typ „zerstreuter Camping- Professor“, fragt, ob er meinen Camper mal von innen sehen dürfe, er habe seinen T6 selbst ausgebaut. Wir einigen uns darauf, dass ich dann aber auch mal gucken darf. Schon verrückt, was manche Menschen sich einbilden, bauen zu können. Im WDR gab’s mal eine Handwerker- Doku mit dem treffenden Titel „Soll das so…?“, in der Handwerkerprofis Heimwerker retteten, wenn deren Projekte zu arg am Ziel vorbei schossen. Dieses arme Auto hier wäre ein Kandidat für die nächste Staffel. Und die übernächste. Schade um den schönen Bulli.

Die Abende beschließe ich mit Salat und Pitabrot und lausche dabei den drei Dauercampernachbarn gegenüber, die über die Chefin, ihre Handlanger und den Zustand der Anlagen lästern und am zweiten Abend leise alte Maffay- Hits singen, weil „Mannis Plutuh-Box keinen Saft mehr hat.“

Zum meiner Linken schlafen müde Camping- Kinder bei offenem Wohnwagenfenster mit „Bibi und Tina und der Waldbrand“ ein und ich hoffe, dass ich bei Warnstufe vier von fünf dem Thema in diesem Urlaub nirgends näher komme als hier.

Bei meiner Abreise werfe ich Karte nach einem letzen Düdüt in den Briefkasten und bin froh, weiterzuziehen. Ich freue mich auf einen klaren See, einen grünen Platz, mehr Schatten und weniger Düdüt. Keine Ahnung, vor was für Eindringlingen man hier Angst hat. Jedes dieser Tore kann man, wenn man nur will, leicht überklettern und von der Seeseite den Platz sowieso gut erreichen (sofern man eins der wenigen nicht eingezäunten Stücke Ufer zum Einsetzen seines Piratenschiffs findet), aber angesichts der überall hier stehenden beeindruckenden Zäune, Tore und Stacheldrähte scheint man in Brandenburg ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis zu spüren.

Mal schauen, wie sicher ich mich in MV ohne pausenloses. Düdüt fühle. Zum Glück habe ich ja meinen kleinen Wachhund dabei. Der macht bei Bedarf auch Geräusche. Aber andere.

…und überall Gewässer 2 – Steinhude am Cache

„Soll ich? Oder lieber nicht?“ Steffi steht, die Taschenlampe in der einen, die Hundeleine in der anderen Hand unter der Buche. „Von mir aus, mach!“ nicke ich, nehme ihr den Hund ab und drücke ihr im Tausch meine kleine Taschenlampe in die Hand, die sie an ihre Hose klipsen kann. „Da hinten guckt sicher gleich einer und ruft die Bullen…“ kichert sie. „… aber das erklären wir denen dann. Oder sind schon lange weg, bis die hier sind!“ Dann klettert sie zügig zwischen den Astgabeln in Richtung Dose. 

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…und überall Gewässer 1 – Weserbogen

Als ich am Freitagmorgen viel zu früh in den Brummi steige surrt hinter mir schon hochmotiviert der Kühlschrank. Ein eindeutiges Zeichen, eigentlich, dass jetzt Urlaub ist und nichts mehr zu erledigen. Heute allerdings stimmt das nicht. 

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Besuch ³

Was wir mit dem nächsten Tag anfangen bleibt lange unklar. Ich kann mich noch immer schlecht von dem Gedanken verabschieden, dem Touristen irgendwelche Touristendinge bieten zu müssen. Auf der Suche nach klimatisierten Optionen drängt sich das Bergbaumuseum auf. Heute Morgen jedoch fehlt uns ganz offensichtlich die Energie für noch einen Museumsbesuch und ich schlage vor, uns eine kühle Stelle an einem Bach im Wald zu suchen. 

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Besuch²

Als am nächsten Morgen der Hund ankündigt, dass der Mann, der gestern seinen liebsten Sofa-Liegeplatz okkupierte nun schon wieder die Wohnung betritt, haben wir entschieden, den Gasometer Oberhausen zu besuchen. Die letzten Tage waren nicht zu heiß, als dass sich die Riesendose schon zur größten Sauna des Reviers erhitzt hätte. Außerdem sind Ferien und es ist Montag. Gute Chancen, dass die Ausstellung nicht allzu voll werden sollte.

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Besuch!

Es hat sich Besuch angekündigt. Besuch, mit dem ich eigentlich gar nicht mehr gerechnet hatte in diesem Jahr. Zu viele andere Beschäftigungen hatten sich angesammelt. Aber dann ergab sich plötzlich eine gemeinsame Lücke in zwei sehr verschieden gefüllten Kalendern und irgendwo im Nordosten wurde ein Motorrad getankt und mit Taschen bepackt, und irgendwo im tiefen Westen wurde eine Wohnung grob durchgekärchert und ein Kühlschrank wurde gefüllt. Und dann konnte der Besuch auch schon kommen.

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Drei Tage über Xanten und Arcen – Tag 3

Im Gegensatz zum Fahrradknäuel in der Scheune war das morgendliche Frühstücksbuffet heute morgen über jeden Zweifel erhaben. Tina nutzte die Gelegenheit, sich gleich mal in Holland einen Namen zu machen, indem sie die Smoothie- Auslage mit einem Handstreich und riesen Gepolter in der Smoothie- Asulagen- Kühltheke versenkte und den Tatort dann mit dem noch gerade rechtzeitig vor dem Zusammenbruch ausgesuchten Smoothie verließ. Ärgerlich nur, dass sie sich in der Folge nur noch sehr schüchtern ans übrige Buffet wagte, immer in der Hoffnung, dass die anderen Gäste nicht zu laut über ihren peinlichen kleinen Stunt tuscheln würden.

Trotz Smoothiethekeninstabilität würde ich das Hotel mit seinen niedlichen Kunstrasentischen und der chaotischen Fahrradparksituation jederzeit wieder empfehlen. Falls ihr hier Rast macht, fragt vielleicht eure Begleitung, ob sie euch einen Smoothie mitbringt. Sicher ist sicher.

Auch heute stieg ich naturgemäß leicht jankend in den Sattel, wusste aber immerhin, dass sich das nach wenigen Kilometern komplett erledigt haben würde. Die Sitzposition sollte uns heute also kein Stöckchen mehr in die Speichen halten, etwas anderes allerdings schon. Und zwar: meine Laune.

Denn auf den 85 finalen Kilometern zurück nach Fischlaken waren Fahrrad, Anhänger und Gesäß in weitaus besserem Zustand als mein Gemüt. Noch immer kann ich nicht sagen, ob die dauernd auf den Hirn bratende Sonne, zu wenig Trinkpausen, mangelnde Vorbereitungszeit im Sattel oder der Respekt vor der Gesamtstrecke mir zum Verhängnis wurden. Jedenfalls hatte ich, obwohl das Quatsch war, den Eindruck, heute rollte es nicht. Jeder Kilometer war quälend lang, der Blick wollte sich von Komoot und der noch zu absolvierenden gar nicht lösen. Und so gelang es mir heute dann auch nicht mehr diejenige zu sein, die die Laune nicht in den Keller zieht. Bzw diejenige, die Zuspruch und ein paar Boxenstopps mehr braucht. Was für ein Geschenk, dass links von mir so eine immerzu optimistische, aufmunternde und tolle Tina trampelte, die mir die Zeit bis zum nächsten Päuschen mit Schwänken aus ihrer Jugend oder den neusten Polizeigeschichten verkürzte, wohl immer in der Sorge mich gleich in den Anhänger verstauen und nach Hause ziehen zu müssen.

Dabei war es gar nicht der Körper, der da nicht mehr wollte. So ein E-Bike bietet ja nun wirklich dem faulsten Hund die Chance, drei Tage nach Holland zu radeln. Es war, und diese Erfahrung war mir neu, allein der Kopf, der sagte: „Lass uns einfach anhalten und von nun an neben der niederländischen Bundesstraße wohnen. Fahrradfahren, das ist nichts für uns. Setzen wir uns einfach und warten auf bessere Zeiten…“

An dieser Stelle daher noch einmal mehr und noch einmal sehr deutlich: Danke, Tina! Ohne dich lebte ich jetzt in einem Zelt an der Bundesstraße irgendwo zwischen Straelen und Kerken.

So aber gelang es mir, dieses nervige Tief zu durchradeln und einen Zwischenstopp in einem Biergarten als erreichbares Ziel zu deklarieren; nicht ahnend, dass der Biergarten an diesem Wochenende infolge des jährlichen Seefestes fest in der Hand eines unfassbar schlechten Schlager- DJs geraten war. Es half allerdings alles nichts, ich brauchte diese Pause und vermutlich auch diese dröge Bockwurst. Und ich weiß sehr zu schätzen, dass Tina hier nicht partout den Stopp verweigerte und mich weiter zurück Richtung Ruhr schob.

Nun also sollte die letzte Etappe uns über den Rhein zurück ins Ruhrgebiet führen. Mangels meiner Motivation wurde die Strecke zugunsten eines früheren Ankommens ein wenig gekürzt, führte uns dafür aber zu großen Teilen nicht mehr abseits der Städte sondern mittenmang über Duisburger Fahrradwege durchs Ruhrgebiet. 

Mir machte das, weil ich ja eh seit heute morgen nur auf Komoot und weniger auf die Landschaft schaute, wenig aus. Tina sah über die zeitweise Hässlichkeit der Route in ihrer großzügigen Art freundlicherweise hinweg und lotste uns sicher zurück in bekanntes Terrain an der Ruhr entlang in Richtung Baldeneysee. 

Und wenige Minuten bevor wir vom See noch einmal kurz bergauf in Richtung Fischlaken zu radeln hatten, gab es zum Abschluss der Runde ein Rundenabschlusseis und ich nahm mir vor, vor der nächsten Runde ein wenige besser aufs im Sattel sitzen und alle anderen Herausforderungen einer Dreitagestour vorbereitet zu sein. Denn: trotz des Zwischentiefs bin ich sicher: es gibt nicht viele bessere Optionen, die nähere und weitere Heimat zu erkunden, als auf den Radwegen durchs, im und ums Revier. 

Danke, Tina. Das hat großen Spaß gemacht, und das lag zu großen Teilen daran, dass du unendlich geduldig, immer gut gelaunten und lächelnd links neben mir her geradelt bist.. nur über deinen Fahrradkörbchenfarbgeschmack kann man wirklich streiten…

Drei Tage über Xanten und Arcen – Tag 2

Okay, euch kann ich es ja sagen: Der Rückweg vom abendlichen Eis in Xanten ins Hotel war schon mal ein guter Einblick in das, was mir in Sachen Arschweh heute morgen blühen sollte, zum Glück, und diese Zuversicht hatte ich vergangenen Fahrradsaisons entnommen, würde sich das nach wenigen tapferen Minuten im Sattel wieder erledigen. Aber heute morgen das Bein übers Fahrrad zu schwingen bedurfte einiger Überwindung.

Dabei sollte uns der erste Weg sofort wieder in die Fußgängerzone zu einem wirklich ganz hervorragend niedlichen Café führen, in dem wir gestern, clever wie wir sind, schon einmal einen Frühstücksplatz reserviert hatten.

Tinas mit einem besorgten Blick in meine Richtung verbundene Nachfrage nach dem Sitzbefinden wiegelte ich mit einem mittelmäßig geschwindelten: „Och joa, geht schon!“ ab (ihr erinnert euch, ich wollte hier nicht diejenige sein, die die Laune runter zieht) und quälte mich die 900m in die Fußgängerzone. Aua. 

Nach dem Frühstück nutzte Tina noch die Shoppinggelegenheit und investierte gut überlegt fünf Euro in ein wie ich fand furchtbar hässliches Fahrradkörbchen in pink, weiß und blau, in dem für die restliche Tour ihr Handy und ein Zusatzakku Platz finden sollten.

Mit Frückstück im Bauch, neuem Körbchen am Lenker und quälendem Sitzfleisch navigierten wir also los, raus aus der Stadt, erst straight nach Westen, zu einem Kaffee- Stop in Goch und von dort aus an der Maas entlang auf der holländischen Seite der Grenze nach Süden in Richtung Arcen. 

Schon nach wenigen Kilometern saß ich wieder bequem, Tina hatte durch ihre tägliche Radelei zur Arbeit hier wirklich einen großen Vorteil, und es rollte ganz vorzüglich. Die Gegend hier ist naturgemäß zum Fahrradfahren gemacht. Die Wege allesamt gut ausgebaut, die Landschaft flach, Menschen rar und Autos meist sicher hinter Grünstreifen verstaut oder durch geschickte Wegführung sowieso in weiter Ferne. 

In Arcen parkten wir die Räder am Rande eines winzigen Marktplatzes und freuten uns, den Eisdielentipp, den Tina bekommen hatte, diesmal ohne Umwege zu finden. Wer in den Maasdünen ist und einen Abstecher nach Arcen machen kann sollte dringend genau wie wir sein Fahrrad abschließend und sich den wirklich besonderen Eiskreationen ergeben. Und er sollte einplanen, danach noch ein paar Kilometer radeln und ein Abendessen einkaufen zu müssen. Wir jedenfalls landeten im örtlichen Albert Hein und ergatterten Snacks, bis der Anhänger voll war, die wir dann wenige Kilometer entfernt nach einer Dusche im Hof des auf Fahrradtouristen ausgelegten Hotels viel zu spät zu Abend aßen.

Die Fahrräder verbrachten die Nacht trocken aber leicht chaotisch in einem für sie vorgesehenen Teil der Scheune. Hätten wir nicht, um ausreichend Platz zu schaffen, noch reichlich umdekorieren müssen, hätte es mir gleich noch besser gefallen.

Drei Tage über Xanten und Arcen – Tag 1

Eigentlich ist alles perfekt. Das Wetter verspricht vorsichtig, trocken zu bleiben, das E-Bike ist frisch gewartet und die Räder des Anhängers sind aufgepumpt. Snacks, Kleidung und Flickzeug sind verstaut. An der Technik wird es nicht hapern, wenn wir uns gleich auf den Weg machen, von Essen nach Xanten.

Aber an mir, an mir könnte es scheitern. Noch nicht mal eine ausgiebige Tagestour habe ich im Frühling und Sommer bisher gemacht. Ja, im Urlaub sind wir aufs Rad gestiegen, täglich fast, aber mehr als 45 Kilometer saß ich dabei nie im Sattel. Die Zeit war für Eisdielenbesuche und Stadtbesichtigungen draufgegangen und das Fahrrad eher Transportmittel als Hobby gewesen.

Als ich mich am Vorabend der Holland- Reise aufs Sofa werfe und meine Packliste abhake bekomme ich eine Nachricht von Tina, meiner Radelbegleitung. Sie fragt, ob ich alles habe. „Bisschen Schiss hab ich…“ tippe ich ins Handy, „…dass ich mir da zu viel vorgenommen habe.“ Sie beruhigt mich. Die E-Bikes werden uns schon ans Ziel schieben. Na gut. Tina wird es wissen.

Morgens, sehr früh, stelle ich den gepackten Anhänger in den Brummi, lade das Fahrrad auf und fahre los. In Essen, oberhalb des Baldeneysees, sind wir verabredet. Vor uns liegen heute 76 Kilometer. Die ersten, immerhin, schiebt mich der Anhänger bergab zwischen den Feldern Fischlakens runter ans Ufer. Dort halten wir uns links und fahren ab jetzt ziemlich genau Richtung Nordwesten.

Wer in Essens Süden startet und an den Niederrhein will hat zwangsläufig die Aufgabe, das westliche Ruhrgebiet einmal zu durchqueren. Essen, Mülheim, Oberhausen, klingt erstmal nicht nach ansprechender Fahrradtour. Die Straßenabschnitte allerdings halten sich sehr in Grenzen. In Essen strampeln wir noch ein paar Minuten am Fahrbahnrand von der Ruhr in Richtung A52, dürfen da aber auf einen der vielen Radwege auf ehemaligen Bahnanlagen einbiegen, die Komoot uns für die Route vorgeschlagen hat. Von nun an geht es, nahezu ohne Kontakt zum motorisierten Verkehr, über gut ausgebaute Wege bis an den Rhein- Herne- Kanal. Wir lassen die Autobahn links und den Gasometer rechts liegen, wuckern mit gemeinsamer Kraft Räder und Hänger über einen hüfthohen umgestürzten Baumstumpf und erreichen bester Laune den sogenannten „Grünen Pfad“, wieder so einen tollen Bahntrassenradweg, der uns schließlich, Duisburg Marxloh und Röttgersbach ignorierend, direkt am Rhein wieder ausspuckt.

Die erste Fährfahrt des Wochenendes setzt uns unkompliziert über nach Orsoy. Hier, ungefähr auf halber Strecke, haben wir den Ruhrpott endgültig hinter uns und dürfen von nun an den Rhein in Richtung Niederlande ein ganzes Stück begleiten. 

Dass dies hier die erste lange Tour des Jahres ist macht sich nun allerdings bemerkbar, als jede Faser meines Körpers und erst recht die Fasern, die seit heute morgen Kontakt zum Sattel pflegen, nach einer längeren Rast im Vogelschutzgebiet wieder überzeugt werden sollen, aufzusteigen. „Alter, hab ich Arschweh…“ denke ich gerade so laut, dass Tina es nicht mitbekommt. Denn wenn ich auf so einem Ausflug eins nicht sein will, dann die, die nörgelnd die andere mental mit runterzieht. Weiter geht es also, vermutlich mit leicht lädiertem Lächeln, bis wir zufrieden, aber doch auch einigermaßen erledigt, am späten Nachmittag in Xanten ins „Xotel“ einchecken.

Dass wir nachher noch die 900m in die Stadt fahren um uns erst mit einem okayen Eis, dann mit mäßigen Schnitzeln und zur Versöhnung mit einem weiteren, herausragenden Eis (so kommt’s, wenn man die Eisdielenempfehlung der Kollegen nur halbherzig liest) zu versorgen, habe ich meinem Arschweh noch nicht erzählt. Aber 900m… die kann man ja im Prinzip auch im Stehen fahren.

Und für die 73 Kilometer morgen wird mir hoffentlich noch eine Lösung einfallen…