Theorieprüfung. (Whoop whoop!)

Ein bisschen aufgeregt bin ich ja schon. Aufgeregter als ich zugeben möchte sogar. Aber ich rede mir ein, dass es die gute Aufregung ist, die mich wacher, aufmerksamer und fokussierter macht. Außerdem fühle ich mich gut vorbereitet. Auf die Fragen jedenfalls.

Ein grauer Morgen ist das, als ich in meinem Auto sitze und mich ein letztes Mal durch die Fahrschul- App klicke, auf dem viel zu kleinen Parkplatz vor dem TÜV. Die Scheibenwischer schieben unregelmäßig das Wasser beiseite und geben mir kurz die Chace, einen klaren Blick auf den Eingang zu haben. Wie immer bin ich zu früh, aber ich habe ja das iPad dabei und kann mich beschäftigen.

Meine Finger fliegen über die Anwort- Buttons. Inzwischen muss ich die Fragen gar nicht mehr wirklich lesen, die Videos gar nicht mehr zu Ende schauen. Besonders die Zahlenfragen und die zweiradspezifischen habe ich mir eingebimst. Parkabstand zur Fahrradwegeinmündung: acht Meter, zum Andreaskreuz innerorts: fünf, außerorts 50. Anhalteweg bei 50km/h: 40m, Mindestprofiltiefe 1,6mm… dass ich noch das iPad in der Hand habe dient wohl eher der Beruhigung als dass ich noch etwas Neues lerne.

Pünktlich um 10.00 Uhr öffnet sich die Tür zum Prüfungsraum. Aus dem kleinen Neubau des TÜVs hier im frisch erschlossenen Industriegebiet strömt eine Gruppe junger Leute. Größtenteils tragen sie Jogginghosen und sehen zufrieden aus. Einzelne haben es in die Jeans geschafft. Eine Relation zwischen Hosenform und Prüfungszufriedenheit kann ich nicht erkennen, bin aber auch zu sehr mit mir selbst beschäftigt.

Ich gebe der Prüferin, die in einer viel zu engen Ecke an einem viel zu kleinen Schreibtisch hinter einer Spuckschutzwand eingepfercht ist, meinen Pass, dann weist sie mir Computer Nummer 10 zu. Auch ich sitze jetzt an einem viel zu kleinen Schreibtisch nahezu Schulter an Schulter mit meinem Nebenmann. Keine Ahnung was der TÜV mit seinem Einnamen so anstellt, aber beim Entwurf dieses Prüfungszentrums hätten ein paar Euro mehr für einen besseren Architekten und 30 Quadratmeter mehr Fläche irgendwie nicht geschadet. Als alle sitzen mahnt die Prüferin, dass sie ganz besonders darauf achte, dass niemand auf den Bildschirm des Nachbarn spingse. Ich frage mich, ob hier noch jeopardyeske Blickschutzdingsis ausgeteilt werden, ansonsten kann ich nicht verhindern, dem Schlabberhosenteeny neben mir beim Klicken zuzuschauen. Die zweite Ermahnung der Prüferin gilt dem absoluten Verbot von Handys. Sollte sie auch nur ein Pling oder eine per Vibration angekündigte Nachricht hören, sperre sie sofort den entsprechenden Bildschirm und melde der Führerscheinstelle einen Täuschungsversuch. Aber noch während ich überlege, wie sie in dem engen Raum überhaupt heraushören will, wessen Handy noch ein letztes: „Toi toi toi!“ empfangen hat kann es auch schon losgehen.

20 Fragen und höchstens sechs Fehlerpunkte liegen zwischen mir und dem Bestehen. Langsam klicke ich mich durch. Wenn das hier schiefgeht, dann weil ich entweder nicht genau genug gelesen oder bei den Videos nicht richtig hingesehen habe. Also: tief durchatmen. Alles Wort für Wort studieren, dann klicken und am Ende alles noch einmal kontrollieren, bevor ich es abschicke.

Es läuft ganz gut. Obwohl das Herzchen doch ein bisschen bumpert und ich nicht sicher bin, ob das wirklich nur „die gute“ Aufregung ist, klicke ich mich besonnen durch meine Aufgaben in Sachen Vorfahrt, Autobahn, Vorrang und Zweirad- Abfahrtkontrolle. Als ich schon mit dem Finger auf dem „Abgeben“ Button bin, erinnere ich mich an meine goldene Regel, alles noch einmal kontrollieren zu wollen. In der Schule habe ich das nie gemacht, in der Ausbildung auch nicht. Ich kann mir eigentlich vertrauen, wenn ich mich für eine Antwort entscheide. Und im Zweifel gehe ich eh mit dem ersten, spontanen Gefühl. In diesem Fall allerdings rentiert sich das Prinzip doppelte Kontrolle. Gerade bei einer Vorfahrtsfrage habe ich vollkommenen Quatsch angekreuzt. Das wären fünf von sechs möglichen Fehlerpunkten gewesen. Cool.

Nach noch einer Runde auf der Suche nach weiteren Flüchtigkeitsfehlern entscheide ich mich, meine Antworten abzuschicken. Die Prüferin ruft mich sofort auf, ich solle mir das Ergebnis ansehen. Ich zögere kurz. Will ich es überhaupt wissen? Mit 18, damals, ist es einmal schiefgegangen. Da dachte ich auch ich hätte es drauf. Seitdem sind 20 Jahre und viele Jahre Polizei vergangen. Inzwischen sollte ich mich im Straßenverkehr besser auskennen. Außerdem: ich kann ja schlecht nach Hause fahren ohne herauszufinden ob ich bestanden habe.

Ich atme einmal durch, klicke auf den Ergebnis-Knopf und muss mich dann sehr beherrschen, nicht laut in den noch vollen Raum einen kleinen Jubelschrei auszustoßen. Sekunden später höre ich den Drucker der Prüferin, wie er meine Bescheinigung auswirft. Und wieder wenige Sekunden später stehe ich allein auf dem verregneten Parkplatz, schließe mein Auto auf und rufe halblaut: „Jaa, Mannnn!“. Mein Herz bumpert noch ein bisschen als ich ein Foto von der Bescheinigung per Handynachricht verschicke.

„Geht doch.“ ist die erste Antwort, die ich bekomme. Nicht alle hier waren also so aufgeregt wie ich. Na gut, denke ich, und atme noch einmal durch bevor ich losfahre, vielleicht habe ich mich zu sehr verrückt gemacht.

Es waren ja nur 20 Fragen. Und bis zu sechs Fehlerpunkte.

Geht doch.

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