Ich möchte hier nach und nach einige meiner Urlaubserinnerungen teilen. Heute reisen wir nach Reykjavik.
Soll ich? Oder soll ich nicht?
Etwas unsicher schleiche ich mit einem Paket Donuts in der Hand an Reykjaviks Polizeigebäude vorbei. Angeblich soll Island ja die zufriedensten Polizisten der Welt haben. Die müssten doch eigentlich dann nett sein.
Die Kollegen, die gerade mit ihren Fahrrädern auf den Hof gefahren sind, sahen sehr beschäftigt aus. Die wollten ich nicht stören. Vielleicht mache ich einfach erstmal ein Foto vom Streifenwagen.
Ich stelle die Donuts ab, als mich aus der Ferne eine Frau auf isländisch anspricht. Natürlich verstehe ich nur Kauderwelsch und entschuldige mich sofort reflexartig auf Englisch, dass ich ein Foto von ihrem Auto mache. Sie lacht und erkundigt sich, was ich damit überhaupt will, sonderlich aufregend sei der Wagen ja nun nicht, und – viel wichtiger – für wen eigentlich die Donuts seien. Ok, erwischt: noch lieber als ein Auto von außen würde ich die Dienstelle von innen sehen, gebe ich zu.
Geht schon klar, sagt die Kollegin, und führt mich durch den Hintereingang, den Fahrradkeller und einen Flur voller Plaketten und Ehrungen direkt zu ihrem Chef. Oha. So war das nicht geplant. Aber auch er ist wirklich nett… und mag Donuts…
Eine Tür pro Donut verspricht er mir zu öffnen. Da bin ich gern dabei. Los geht es in einer Art Videobeobachtungsraum. Von hier aus haben zwei Kollegen ein Auge auf markante Orte in der Innenstadt. Reykjavik ist jung, belebt und gerade im Sommer voller Studenten. Abends, so höre ich, auch gern voller voller Studenten. Rucksackreisende aus aller Welt feiern hier, und wo Alkohol ist, da gibt es auch Stress. Um jederzeit im Bilde zu sein, werden die belebtesten Orte videographiert. Moderne Maßnahmen einer modernen Stadt.
Wir ziehen weiter und kommen an einer Art Briefing- Room vorbei. An einem riesigen Whiteboard hängen die Namen sämtlicher Kollegen, aufgeteilt in Teams und mit diversen Symbolen versehen. Manche fahren Fahrrad, manchen ist ein Streifenwagen zugeordnet, andere haben frei. Hinter einem Streifenteam pappen Magnete in Pistolen- Form. Was es damit auf sich hat? Das seien die Kollegen, die heute die Waffen trügen, erklärt der Chef, dessen genaue Stellenbezeichnung ich noch immer nicht verstanden habe. Als er sieht, wie ich stutze, erklärt er mir nicht ohne Stolz, dass die meisten seiner Streifenteams ihre Aufgaben nur mit Pfeffer und Schlagstock bewaffnet sehr gut lösen könnten, auch wenn es mal hoch her ginge. Als Backup hätten aber immer zwei Beamte Pistolen dabei. Sie werden wissen, was sie tun, denke ich, während mich der Mann, den ich inzwischen für den Wachleiter halte, einer Kollegin aus dem Wachdienst vorstellt.
Sie führt mich durch den Wachbereich. Es gibt, wie bei uns, einen Waschtisch, von dem aus die Streifen koordiniert werden und natürlich einen Pausenraum, in dem sich gerade ein Kollege darüber aufregt, dass die Kaffeemaschine nicht gereinigt sei und der Kühlschrank ein Eigenleben führt, übersetzt mir die junge Kollegin, die sich noch in Ausbildung befindet. Andere Länder, aber die gleichen Sorgen, denke ich. Warum sollte es dem isländischen Kühlschrank auch besser gehen als unserem.
Ich frage die Kollegen über Polizeiarbeit in den weiten unbewohnten Gebieten, über internationale Fußballspiele in dem niedlichen kleinen Stadion und über die Ausstattung der Streifenwagen aus und wie überall auf der Welt, wo ich bisher Kollegen Donuts gebracht habe, treffe ich auf freundliche, aufgeschlossene und sehr kommunikative Menschen, die ihren Beruf mit Begeisterung ausüben und gern davon erzählen, wie sie das tun.
Am Ende meines Besuchs tausche ich mein Wappen und man besteht darauf, dass ich einen der Donuts esse. In den Kühlschrank könne man sie ja eh gerade nicht stellen. Und als ich vorsichtig frage, ob ich denn auch noch einen Blick ins Polizeiauto werfen kann, beschließt eine Kollegin in zivil, mich “mal eben” quer durch die Stadt an den Ort zu fahren, wo ich als nächstes hin muss.
Ich habe nach wie vor keine Ahnung, ob das hier die zufriedensten Polizisten der Welt sind, aber sie wirkten schon sehr mit sich und ihrem Beruf im reinen. Also „rein“… bis auf die weltweit obligatorische Sache mit dem Kühlschrank.
