Uelzen

Heute stehe ich im Uhlenköper Camp Uelzen.

Als ich den Brummi durch die EInfahrt lenke, auf der Suche nach dem obligatorischen Parkplatz zum Check- In, bermerke ich, dass der Brummidiesel gerade in den sonntäglichen Gottesdienst auf der Terrasse knattert. Kinder laufen umher, es wird gesungen und selbstgebastelte Kreuze schmücken die Wiese hinter dem Haupthaus. Alles ein bisschen wie bei den Pfadfindern, nur in teuer, denke ich, und suche (wie passend) erstmal den Weg zum Check- In.

Ein etwas zauseliger Mann, der mir barfuß mit einer Flasche Milch in der Hand entgegenkommt, kann helfen. So schleiche ich am Gottesdienst vorbei in den flatschneuen Empfangsbereich des in Holz gebauten Haupthauses. Chic haben die es hier. Und: konsequent ökologisch. 

Ich mag das, auch wenn ich selbst diesen Lebensstil nicht durchzuhalten imstande wäre. Zwar schaffe ich es inzwischen ganz gut, Biofleisch und vernünftige Eier zu kaufen. An vielen anderen Schrauben muss ich wohl noch nachjustieren. Aber das kann ja noch kommen.

Der freundliche Mann hinter der Theke, der meinen Klischees genügend natürlich Latschen und ein selbstgeklöppeltes Lederkettchen um den Hals trägt, weist mir einen Platz nahe des Hauptgebäudes zu, um den herum, während ich mich ausbreite, sehr viele Eltern noch viel mehr Kinder einsammeln und in ihre selbstausgebauten Kastenwägen und ihre 20 Jahre alten Mercedesse stecken. Dann brausen sie mit ihren bedoppelnamten Malte- Justussen in ihren Alltag zurück. Wir haben Sonntagmittag. Gleich kehrt hier Ruhe ein.

Zwischen den vielen sehr woke wirkenden Selbstausbau- Impro- wirlassendasjetztso- Nachbarn fühle ich mich mit dem Pössl „von der Stange“ direkt weniger fehl am Platz, scheine aber nicht beäugt zu werden. Alle grüßen freundlich. 

Nur noch wenige kleine Thorben- Fynns gehen ihren Kleinkindhobbies nach und fingern an den Wasser- und Strom- Säulen rum, während die Mamis und Papis Tarps falten. Als einer der kleinen Gauner gerade die Klappe der CEE- Steckdose erkundet und ich schon Stoppoks Learning by burning zu summen anfange, greift Mami ein. Eine Sekunde später, und ich wäre entweder unter „Lebensretter“ oder „Kinderschreck“ in die Ökocampgeschichte eingegangen. Nach dieser Laissez-Faire-Erfahrung gehe ich jedenfalls dazu über, den Wolf im Flauschpelz konsequent an die Markise zu leinen, bevor einer der kleinen Entdecker aus der Nachbarschaft von Mami und Papi unbehelligt Experimente an lebenden (und dann zuweilen auch beißenden) kleinen Hausmeistern wagt.

Den Nachmittag verbringen der Fifi und ich mit einem Fahrradausflug in die Uelzener Eisdiele. Der Imbiss gegenüber geht gerade zur Nachmittagspause über, weshalb eine Portion Schokospaghettieis mich bis zum Abendessen retten soll. 

Auf dem Rückweg überkommt mich dann aber doch schon ein immer größer werdendes Hüngerchen. Und als ich so überlege, welche Bio- Spezialität ich mir gleich aus dem Camp- Imbiss genehmige, fällt mir in einigen hundert Metern Entfernung ein bekanntes Zeichen ins Auge. Ein großes, gelbes M. Bis zum Campingplatz sind es laut Navi noch gute fünf Fahrradminuten. Gute Chancen, die Kalorien sogar heiß vor den Brummi zu kriegen. Ich bestelle mir zwei Cheeseburger, stecke die Tüte zum Hund in den Anhänger und trete in die Pedale.

Beim Einbiegen auf den Hof überkommt mich ein mulmiges Gefühl, schließlich schmuggle ich gerade den Inbegriff des Bösen ins Bioparadies. Wenn eine der Muttis mich erwischt, wie ich in den Cheeseburger beiße, bin ich moralisch geliefert. Schlimmer wäre nur, eine der verblieben kleinen Melina- Franzisken sähe mich und petzte es direkt allen ihren Kumpaninnen. Die kleinen Bio- Biester aus Demeter- Aufzucht haben sicher einen siebten Sinn für Fastfoodgerüche. Ich schalte in den Stealth-Mode und verziehe mich trotz besten Wetters mit meiner Beute in den Brummi.

Kein Leonard- Jonathan und keine Cassandra- Maya, die auf ihren Fahrrädern hier ständig vorbeibrausen, scheint Lunte zu riechen. Mein teuflischer Plan funktioniert. Den letzten Bissen teile ich brüderlich mit dem Hund. Besser, ich besteche den kleinen Mitwisser, nicht dass er noch was ausplaudert.

Und später, wenn die Nachbarn ahnungslos in ihren Zelten liegen, werde ich bei Nacht und Nebel eine mit allen mir gegebenen Kräften auf Tischtennisballgröße zusammengeknüttelte McDonald‘s- Tüte zur Müllstation bringen.

Stünde ich nicht mit beiden Beinen fest auf der richtigen Seite des Gesetzes, ich wäre ab heute bereit für so ziemlich jeden Schmuggel- Job.

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