Er hätte “mal was provokantes gebastelt” schrieb der Sandmann mir vor ein paar Wochen, und schickte einen Link zu einer Komoot- Tour. Gegen den Uhrzeigersinn sollte die uns um den Schweriner Innen- und Außensee führen, mit einem kleinen Abstecher gen Osten, durchs Gemüse. Zuhause, wo die Wälder deutlich hügeliger und die Trails deshalb kräfte- und akkuzehrender sind, plane ich für eine schöne Runde, auf der ich am Ende nicht zu arg nöle, ungefähr 45- 50 Kilometer ein. Dann ist aber wirklich mein Akku meist einigermaßen leer, und der muss ja, wie der vom Fahrrad auch, nicht bis aufs Letzte ausgequetscht werden. Es soll ja schließlich Spaß machen.
Seufzend klickte ich also damals auf Sandmanns “provokant gebastelten” Touren- Link und sah mich 62km Strecke und 340 Höhenmetern gegenüber. Mit EBike trotz Hundeanhänger sicher gut machbar, aber für den Sandmann, der tatsächlich ganz bio ohne E biked, und dessen Komoot- Tourenliste bis dato auch meines Wissens nach noch keine so lange Tour enthalten hatte, schon eine Ansage.
Wenn Eine mit und Einer ohne Motorunterstützung fährt, kann das für beide schlechtestenfalls ein bisschen doof sein. Die EBikerin könnte versehentlich zu sehr auf die Tube drücken, weil die Beine weniger als der Motor ans Werk müssen. Der BioBiker könnte versehentlich zu sehr auf die Tube drücken, weil er sich und der EBikerin beweisen will, dass er so ein E zum Biken gar nicht nötig hat. Mit dieser kleinen Schere im Kopf versuchte ich also möglichst nicht das Tempo zu machen und an Anstiegen, über die das EBike mich und den Hund naturgemäß problemlos hinwegschiebt, noch mal einen Gang raus zu nehmen. Dazu wiederholte ich mehrmals die Drohung, dem Sandmann mit Schmackes ein Stöckchen in die Speichen zu stecken, sollte ich den Eindruck haben, sein Ehrgeiz träfe in ungesunder Weise auf die hörbar abklingende Erkältung der letzen Tage, denn: so sicher ich sagen konnte, dass da eine Erkältung war, so sicher deuteten die letzten gespeicherten Komoot- Runden auf einen echt respektablen sandmannschen Ehrgeiz hin.
So zogen wir also los, östlich am See Richtung Norden, machten kurz Pause am Ufer, gerieten in einen mir unerklärlichen Zwist über Müsliriegel (die natürlich nicht schmecken, und wer sie isst hat schlicht keine Ahnung…), ließen den Hund joggen, begutachteten Zeltplätze, trafen unerwartet meine Campingnachbarn und radelten und der Anhänger schüttelte den armen Hund in mancher wurzeligen Waldpassage durch, dass er sich gefühlt haben muss wie ein Fitnessgurufifi auf einem dieser neumodischen Power-Plates.
Irgendwann, weil es nötig war, pausierten wir länger in Wiligrad, beobachteten Menschen, machten Schlenker durch enge Tunnel und über steile Kuppen und wuckerten Räder und Hänger und Hund polternd Treppen herunter, und ich hatte nicht den Eindruck, Stöckchen in Speichen stecken zu müssen. Im Gegenteil. Es lief recht flüssig, das Zusammenspiel zwischen dem tapfer strampelnden Sandmann und mir, die sich doch gerade am Berg immer ein bisschen fühlte wie eine Betrügerin.
Nach gut Dreiviertel der Strecke gab’s Verpflegung beim Oberförster und ein Foto von der Unterkunft, in der ich vor Jahren mal mein Lager aufgeschlagen hatte. Mit Schnitzel im Bauch und dementsprechend wenig durchblutetem Gehirn machten wir uns auf zur letzten Etappe, jetzt immer weiter südlich am Westufer längs, zurück durch Schwerin in Richtung Startpunkt.
Und als ich nach knapp acht Stunden Ausflug wieder ankam, am Brummi, und das EBike noch gute 50km Reichweite versprach, legte ich zufrieden die Füße hoch, verdaute das Schnitzel zu Ende und sage jetzt von Herzen noch mal: “Danke, Sandmann, für die tolle Routenführung, die schönen Pausenplätze und die guten Gespräche!”
Hut ab, dass du dir die Blaue Null im Gegensatz zu mir komplett ohne zu Schummeln so fleißig erstrampelt hast. Ich bin einigermaßen sicher, wenn wir das nächste Mal zusammen radeln muss ich mich sehr strecken um dranzubleiben, an Deutschlands jüngstem Rennradrentner mit den Klickpedalen, der immer tiefer eintaucht in die Fahrrad- Bubble, und insgeheim zumindest meiner vorsichtigen Einschätzung nach doch ein bisschen ehrgeiziger ist, als er es selbst wahrhaben will.