Schwerin VII – Werkstatt

Rien ne va plus – Nichts geht mehr.

Ich strampele noch bis zur nächsten Bank, dann brauche ich einen Plan B, denke ich und mein Kopf rattert. Seit meiner kleinen Pause am See, mit Brötchen und Hundegassi, geht das Fahrrad nicht mehr an. Ihr lest schon richtig, wir haben 2021, da ist der Satz „Das Fahrrad geht nicht mehr an“ ein genau so normaler Satz wie „der Staubsauger hat mir eine Fehlermeldung geschickt“ oder „der Kühlschrank braucht ein Softwareupdate“. In meinem Fall ist es aber das Fahrrad, was es nicht mehr tut.

Der olle Hausfrauentrick des wiederholten Ein- und Ausschaltens scheitert am Einschalten, Kniffe wie „am Kabel wackeln“, googeln und ein Reset unter Zuhilfenahme einer Powerbank, die eigentlich das Handy hätte über den Tag bringen sollen, führen zu nichts. Vielleicht hat der Regen der letzten Woche doch den Kotakten zugesetzt. Das ganze Gefährt einmal in Kontktspray zu döppen erscheint mir jedenfalls eine plausible Lösung. Bloß: Wie komme ich hier, auf halber Strecke zwischen Brummi und Schwerin City, an Kontaktspray? Und was, wenn es das doch nicht ist?

Erste Anrufversuche beim Service von Fahrrad XXL schlagen fehl. Die Werkstatt, so sagt der freundliche Computer, sei erst ab 17 Uhr zu erreichen. Auch beim Cube Store in Schwerin bekomme ich erstmal niemanden an die Strippe.

Und nun? Gehen wir die Optionen mal durch. 

Plan A) Vorsichtige Kontaktaufnahme in Sachen Kontaktspray mit dem Sandmann, der heute, das weiß ich, wirklich Wichtigeres zu tun hat als liegegebliebenen Touristinnen aus der Patsche zu helfen, dessen Fahrradkeller allerdings nur einen kleinen Anstieg entfernt halbwegs auf der Route liegt.

Plan B)     Mühsame Rückfahrt zum Brummi ohne Motorunterstützung (während der Hund aussteigt und gefälligst selbst läuft)

Plan C)    Anstoßen der Reparatur über die Garantie von Fahrrad XXL

Plan D)    Weitere Anrufe beim Cube Store mit der freundlichen Frage, ob man dort einer traurigen Urlauberin irgendwie auch ohne Termin den Arsch retten kann

Am Ende wird es eine Mischung aus den Plänen B bis D. Ich liefere den Hundeanhänger am Brummi ab, teste erfolglos die Kontaktspray- Idee und erreiche den Fahrrad XXL Service via Chat. Dort sichert man mir unkompliziert als Garantiefall die Übernahme der Reparatur zu, ich möge mich an irgendeinen Fahrradhändler wenden und mich von dort aus melden, falls der mehr als 75.- Euro veranschlagt. Aber: wie findet ma in Zeiten pandemiebedingten EBike Booms eine Werkstatt, die ohne Termin ein nicht dort gekauftes Fahrrad checkt?

Nach einigen Warteschleifenversuchen erreiche ich den Cube Service aus dem Schweriner Store und man rät mir, „mal eben ohne Termin“ vorbeizukommen, man könne mir sicher helfen. 

Auf der schlechtesten ÖPNV Seite des Planeten kann ich außerdem ermitteln, dass hier in der Nähe an Schultagen, die nicht auf B enden und wenn der Mond im Dritten Haus des Drachen steht, vielleicht – aber nicht an Weihnachten – ein Bus in Richtung Schwerin fährt. Wo in der Stadt der Bumms dann hält soll mir der Fahrer sagen. Bepackt mit Fahrrad und Hund erreiche ich die Haltestelle. Der erste angekündigte Bus kommt zwar nicht (ich muss irgendwelche Eventualitäten im Fahrplangame übersehen haben). Der zweite, ein paar Minuten später haltende Bus, nimmt mich aber mit. Als Hund und Fahrrad verstaut sind knöpft mir der Fahrer für: „Bis zum Marienplatz, bitte!“ 3 Euro ab, kann aber kein Ticket drucken, da sein, wie er sagt: „komischer Bordcomputer“ nicht funktioniert. Seiner Schätzung nach kostet eine Fahrt mit Gepäck ungefähr drei Euro. Ich bin preislich vollkommen einverstanden, zahle passend und bleibe bis zu meiner Haltestelle der einzige Fahrgast. Dass Nebeneinkünfte im Busfahrerbusiness n Thema sind war mir neu. Obwohl er ja weiß, wo ich hin möchte, ermahnt mich der Fahrer, auf jeden Fall das Knöpfchen zu drücken, wenn ich raus muss. Sonst würde er nämlich am Marienplatz nicht anhalten. Na klar drücke ich. Don‘t mess with Schwarzgeld-Busfahrer.

Im Cube Store erwische ich einen unglaublich freundlichen, schnellen und zuvorkommenden Werkstattmitarbeiter, der mich für meine Trouble-Shooting Ideen (Reset, Kontaktspray, externer Akku, am Kabel wackeln) ausgiebig lobt. Er ermittelt zügig den Komplettausfall des Akkus, organisiert an einem Ausstellungsfahrrad einen Ersatz und wickelt den Garantiefall mit dem Akkuhersteller ab. Während er nun noch das Fahrrad kurz auf die Bühne stellt, grob durchschaut und den Akku lädt, schickt er mich in die Stadt.

Beim Abholen bekomme ich neben einem durchgecheckten Fahrrad noch hilfreiche Zubehörtipps und eine Rechnung über 40.- Euro Servicepauschale für die Werkstattleistung, die ich anschließend von Fahrrad XXL erstattet bekommen soll.

Da der Hund heute noch nicht recht ausgelastet sein kann, das Wetter hält und ich im Besitz eines funktionierenden Fahrrads bin, beschließe ich den Rückweg ohne Öffis und am See entlang mit joggendem Hund zu absolvieren. Als der Fifi aber schon in Höhe des Schweriner Zoos leichte Abnutzungserscheinungen zeigt, wechsele ich auf eine mir direkter erscheinende Route der Straße nach und komme abends, geschafft aber zufrieden, wieder am Brummi an. Der Hund wirft sich auf die Seite und träumt wild.

Wenn alle zukünftigen Defekte an Fahrzeugen, die mich im Leben noch ereilen sollen, auch nur halb so freundlich, zeitlich „günstig“ und unkompliziert laufen, werde ich nie wieder über eine Werkstatt schimpfen.

Danke, Cube Store Schwerin, für diesen tollen Service! Und danke, Akku, dass du nicht irgendwo im Wald in die Knie gegangen bist.

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