„Erstaunlich!“ sagt Glo, als wir um die Ecke biegen, „Den gibt´s ja wirklich“. Wir sind offenbar nicht die Einzigen, die sich davon persönlich überzeugen wollen. Vor, neben, hinter uns zücken tausende Menschen staunend ihre Handykameras.
Bisschen unpraktisches Geschenk, denke ich. Muss man ja auch Platz für haben. Für mich wärs nix. Hier allerdings passt er ziemlich perfekt hin, dieser monströse Stahlkoloss. Größer als ich ihn mir vorgestellt hatte ist er jedenfalls. Und elegant. Sehr elegant.
Mit der GoPro im Anschlag manövriere ich zwischen den Plastekitscheiffeltürmchenverkäufern in Richtung Turm. Im Augenwinkel beobachte ich, wie die Männer mühelos größere Mengen Plastiktürmchen unters staunende Volk bringen. Das Portfolio reicht von der bescheidenen Schlüsselanhängervariante für einen schmalen Euro bis zu Highend- Deluxeversion für das 16fache. Diese allerdings begeistern den Betrachter mit einer batteriebetriebene LED-Blitzeblinkfunktion. Wer kann, der kann…
Wir widerstehen knapp der Nippes-Versuchung und heben den Blick von den Displays in Richtung Original. Allein dem Zufall haben wir zu verdanken, dass wir uns dem Spektakel von hinten nähern und jetzt diesen beeindruckenden Blick haben. Oder ist das hier vorne? Weiß das jemand? Da stehen wir also eine Weile mit toller Aussicht über den terrassenartigen Park, fotografieren, staunen und beobachten wie Nippesverkäufer, Touristen und Taschendiebe ihrem Tagewerk nachgehen. Im Park versuchen Hütchenspieler aufgesetzt begeistert über horrende Gewinne Opfer zu akquirieren, ein paar Meter weiter scheuchen Polizisten mit Blaulicht und Horn übervorsichtige Selfiestickbesitzer von der Kreuzung.
Auch wir streifen weiter, lassen den Turm hinter uns, wenden den Blick dabei aber immer wieder nach oben. Hier, nahe des Besuchereingangs, treffen wir auf vier schwer bewaffnete Soldaten, die in Carmouflage mit Maschinenpistolen und Plattenträgern patrouillieren. Bis auf diese Vier scheinen die Kollegen es aus Gründen vorzuziehen, sich vor den Touristenmassen in ihren Fahrzeugen zu verstecken. Die Soldaten bleiben von nervigen Touristenfragen offenbar unbehelligt. Die MPs wirken.
Nach einem Mittagsstopp (klar, landestypisch gib`s Pho und Bratnudeln) lassen wir uns auf dem Weg Richtung Norden weiter treiben. Als wir an der Pont Neuf die Seine überqueren stoßen wir zufällig auf den Place Dauphine. Zwischen chicen Cafés werfen Grüppchen von Parisern ihre Pétanque Kugeln mehr oder weniger geschickt hinter den Schweinchen her. Hätten wir nicht noch ein Ziel gehabt, ich hätte hier ewig sitzen und der Mischung aus Gemurmel und dem Plok Plok der Kugeln zuhören können.
Entlang der Seine zieht es uns in die Metro in Richtung Sacré-Cœur. Auch als zwei blutige Paris-Anfängerinnen haben von dem ganz chicen Ausblick über die Stadt gehört (Spoiler: wenn wir das wissen, wissen es auch alle (!) anderen…) und finden, der könnte unseren Tag doch gut abrunden. Also steigen wir nahe der Seine in die Metro und beobachten kopfschüttelnd, wie im Bahnhof Abbesses die Menschen lemmingartig in den Fahrstuhl drängen. Alle zu faul für die paar Treppen aus der U-Bahn im Gegensatz zu uns… und den anderen dümmlichen Touristen, die sich fürs Treppenhaus entschieden haben. Ungewöhnlicherweise hat der Architekt sich für eine Wendeltreppe entschieden. Unfreiwillig habe ich in unserem Grüppchen die Pole- Position und stapfe also nun, ohne es zu ahnen, eine schier endlose Kurve Stufe für Stufe für Stufe nach oben. Langsam schwant mir, dass man von Sacré Cœur aus deshalb einen so schönen Ausblick hat, weil es sich auf einem Hügel befindet.
36 Meter, sagt Wikipedia, überwinden wir keuchend, begleitetet vom Schnaufen der Touristen hinter mir, die aus Verzweiflung inzwischen begonnen haben, Stufen zu zählen. Dass wir noch lange oben sind wird mir schlagartig bewusst, als ich auf Google Maps die Zahnradbahn erahne, die zur Basilika pendelt. Ich entscheide mich, Glo diesen Fun Fact aus Motivationsgründen zu verschweigen. Dann stapfen wir weiter, bis die Mühe mit einem fantastischen Ausblick über die Dächer dieser unglaublichen Stadt belohnt wird.
Auch hier stehen wir zwischen den obligatorischen Nippesverkäufern und knipsen und staunen und filmen den Ausblick über die hunderttausende Dächer, und ich fühle mich sehr, sehr klein, als mir klar wird, wie unmöglich es ist, diese Stadt überhaupt auch nur ansatzweise als Touristin zu erfassen. Ein vergleichbarer Ausblick wird schwer zu finden sein. Der über New York war ähnlich, aber doch auch ganz anders.
Die Entscheidung, weiterzuziehen, nimmt uns schließlich ein Straßenmusiker ab, der zwar sehr geschickt darin ist, sein E-Piano aufzubauen, dann aber dermaßen tragisch daran scheitert, es zu spielen, dass wir fluchtartig Montmartre verlassen, um keinen Hörsturz zu erleiden. Einmal im Leben hätte ich gern das Selbstbewusstsein wie dieser Schwachkopf, der sich feiertags abends an den belebtesten Platz der Stadt hinter ein Klavier setzt, was er nicht spielen kann, um dazu ein Lied anzustimmen, das er nicht singen kann.
Auch für uns geht es fortan steil bergab, zurück in die Metro, in eine Regionalbahn und einen Bus, der uns direkt vor den Toren unseres Campingplatzes absetzt.
Noch eine Nacht an der A4, dann ziehen wir weiter, 300km nach Westen, an die Loire, wo wir den zwei Tagen in Paris große Beschaulichkeit entgegen setzen wollen.
Der Abend endet mit der Premiere des Brummi Kinos. Der frisch erstandene Beamer erweist sich als vorabendseriengeeignet. Als die Bergrettung Ramsau den Fall gerade zur Hälfte gelöst hat, verlassen uns aber die Kräfte und wir entscheiden, dass der Rettungshubschrauber morgen weiterfliegen muss.
Gute Nacht, Paris!














