Schwerin 533km

“Ich mach schon mal meinen Akku dran!” sage ich, und klicke das bockschwere Ding an mein Fahrrad. “Für deinen brauchen wir den Schlü… ach Scheiße!” 

Tanja guckt mich an. Ich atme tief ein: “Für deinen brauchen wir den Schlüssel. Und den… hab ich… also… der… ist Zuhause! Ich bin so ein Idiot!”

Tanja ist schon mit ihrem Helm und der Sonnenbrille beschäftigt und macht, was sie immer macht, wenn ich gerade so ein Idiot bin, sie fängt das locker auf, zuckt mit den Schultern und sagt: “Ach, das passt schon! Dann fahren wir eben langsamer. Hab ich halt keinen Akku.” Ich weiß nicht, wie ich so viel Nachsicht verdient habe. Ein bisschen sauer darf sie schon sein. Denn für eine gemeinsame E-Bike-Tour im Bergischen Land wäre es schon ganz cool, wenn sie auch den Akku an ihr Fahrrad stecken könnte. 

Ich denke, dass wir jetzt die Räder wieder aufs Auto heben und nach Hause fahren. Oder dass sie wenigstens ein paar Minuten schmollt. Oder die Augen verdreht. Oder wenigstens einen doofen Spruch macht. Nichts davon passiert. Tanja sagt: “Jetzt sind wir doch einmal hier, wir fahren jetzt bis es Pommes gibt und dann drehen wir wieder um!”

Diesen Zustand unkomplizierter Anpassungsfähigkeit möchte ich irgendwann auch erreichen. Einfach: “Das passt schon!” sagen und es auch meinen. Kein grimmiges Wort, keine hochgezogene Augenbraue. Toll.

Also steigen wir auf unsere Fahrräder und ich beschließe, den Motor einfach auch auszulassen. Ganz solidarisch. Solange es bergab geht, zumindest.

Dann biegen wir auf die Nordbahntrasse und strampeln ganz konventionell ohne Motor über die Viadukte in Richtung Wuppertal Barmen. Dort, so stellt sich raus, bekommen wir zwar keine Pommes, aber immerhin kaufe ich ein erstaunlich gutes Eis.

Mein Blick fällt am Schokobecher vorbei auf ein Radwegeschild, das in Utopiastadt die Entfernung zu Wuppertals Partnerstädten ausweist. “Guck mal…” sagt Tanja: “Schwerin 533km”. “Wenn da wirklich n Radweg zwischen wäre, könnte man ja mal hinfahren!” antworte ich, und denke, dass ich dann aber an den Akku-Schlüssel denken sollte. 

Dann radeln wir in Tanjas Tempo zurück zum Auto und ich… naja… ich schalte heimlich zwischendurch den Motor ein bisschen an. Aber das müsst ihr ja nicht unbedingt weitersagen.

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