Eigentlich müsste ich Camping doof finden. Klar, es ist draußen, es gibt immer fadenscheinige Gründe jede Menge mehr oder weniger sinnvolle Technik zu kaufen, es ergeben sich, wenn man will, jeden Tag neue Gassi- Routen und man kann sich auf das Nötigste beschränken. Kein Chichi, nur der Gaskocher, ein Spiegelei, ein Graubrot und ich.
Aber dann sind da auch diese vielen Unbekannten, die die Camping- Rechnung zu einer Herausforderung machen für einen Drinnie wie mich, der sich gern in seine Höhle zurückzieht und von fremden Menschen weder belästigt werden noch deren Betriebsabläufe stören möchte.
Vielleicht ist deshalb auch für mich Camping auch immer eine Mischung aus neuen und alten Orten. Aus online frisch ausgekundschafteten Plätzen und solchen, bei denen ich weiß, dass und wie ich mich in eine ruhige, ungestörte Ecke zurückziehen kann, wenn mir nicht nach Smalltalk ist. Plätze, an denen der Hund und ich, wenn nicht gerade irgendwelche komplett bescheuerten Achims ihre dösigen Mischlingsköter über meine Parzelle tragen, einfach nur ungestört sein können.
Einer dieser Plätze, der sicher nicht durch seine schiere Lage, aber durch eine gute Rückzugsmöglichkeit, kleine und saubere Sanitäreinrichtungen, einen gut erreichbaren Supermarkt und eine ordentliche Fahrradanbingung an die Stadt punkten, ist der, auf dem ich gerade in Schwerin stehe. Ich habe sorgsam abgewogen, ob ich nicht weiter raus in die Natur an den See, dafür aber eben auch abgelegener stehen möchte. Am Ende ist es der Platz hinter der neuen Umgehungsstraße geworden. Und ich bin sehr einverstanden mit meiner Wahl.
Aber: warum eigentlich schon wieder Schwerin? Vielleicht auch, weil ich mich hier von meiner ersten Reise vor etlichen Jahren direkt wohlgefühlt habe. Weil es eine große, aber doch gut überschaubare Stadt ist. Wegen der Seen, an denen man auf jeder Fahrradrunde immer neue Gelegenheit findet, dem Hund Abkühlung zu verschaffen. Weil die Gegend hier einigermaßen flach ist, ich noch lange nicht alle Himmelsrichtungen erkundet habe, aber inzwischen weiß, wo ich ohne große Recherche einen guten Döner oder okayes Sushi bekomme.
Man könnte also sagen, ich habe mich hier urlaubsmäßig inzwischen irgendwie eingerichtet. Ich kann ohne aufs Handy zu schauen losradeln, finde anhand der Beschilderung und weil ich nun hier eben schon mal war von ziemlich überall wieder zum Auto zurück, habe noch viel zu erkunden, empfinde aber nicht mehr den Druck, irgendeine größere Tourinummer machen zu müssen.
Ein freundlicher Einwohner nimmt wieder ein Paket für mich an (weil ich Honk meinen guten Kaffeebecher Zuhause vergessen und meinen Cappuccino jetzt eine Woche lang aus dem Milchaufschäumer getrunken habe wie so ein wilder Barbar – ach so: vor dem Trinken hat außerdem der Milchaufschäumer JEDEN einzelnen Morgen eine Todessauerei auf dem Campingtisch verursacht… was dafür sprach, sich auch gleich einen neuen Milchaufschäumer schicken zu lassen, den der freundliche Schweriner ebenso in Empfang nahm wie noch manchen Kleinkram) und brachte mir dessen Inhalt sogar zu meinem Bulli.
Und vielleicht inzwischen auch wegen des freundlichen Schweriners selbst, den ich mich wiederzusehen freute, und der, wenn man die Schwerin- Sache mal bis an ihren Anfang zurückspult, auch Schuld daran ist, dass Glo und ich damals mit meinem Toyota Yaris in den uns unbekannten Nordosten starteten, in der Blockhütte am See campten und zum ersten Mal um die Fußgängerzonenecke mit dem unerwartetem Blick auf das Angeberschloss bogen.
Für den Moment, allerdings, habe ich genug von der Region. Und auch das ist ja einer der Campingvorteile. Ich werde morgen früh die Markise einrollen und das Fahrrad aufladen und einfach weiter ziehen. Vielleicht halte ich in der Heide, vielleicht an der Elbe. Vielleicht fahre ich aber auch durch bis nach Hause um in den nächsten Tagen noch einmal in eine andere Himmelsrichtung aufzubrechen. Ich muss das jetzt noch gar nicht wissen. Morgen, wenn ich den Motor starte, sollte ich es mir überlegt haben.
Und wenn nicht, dann habe ich tatsächlich inzwischen gelernt, mich treiben zu lassen. Für einen dauernd planenden Drinnie wie mich wäre das wohl die mit Abstand größte Sache, die das Camping mir beigebracht hätte. Kleckerfrei aus dem Milchaufschäumer zu trinken lerne ich dann im nächsten Leben. Vielleicht.




