Schwerin 1 – Mücken am See

Die Wäsche ist trocken, Muttis runder Geburtstag bedacht, das Fahrrad ist vom Salz der Ärmelkanalluft befreit und der Brummi getankt. Eigentlich könnte ich wieder los.

Noch eine gute Woche habe ich Zeit, und die möchte ich eigentlich nicht Zuhause verbringen. Und der Bulli sicher auch nicht. Ich öffne also meine Google- Urlaubs- Map und klicke mich durch die Gegend. Eifel – da wollte ich doch mal ohne Hund und mit dem Fahrrad hin, den Nationalpark erkunden. Oder Xanten? Da ist es flach und die Anfahrt ist überschaubar. Oder doch Schwerin? Irgendwie habe ich das Gefühl, da schon lange nicht gewesen und mit gucken auch noch lange nicht fertig zu sein.

Ich klicke und gucke, wäge ab und überlege. Zu einem rechten Ergebins komme ich nicht. Weil es kein Richtig und Falsch gibt. Weil es überall schön werden wird. Das Argument, was für Schwerin gesprochen hätte, hat schon vor einiger Zeit deutlich gesagt, dass das Leben gerade ein paar Baustellen bereitet und für ein Treffen in Ruhe keine Zeit bleiben würde. Aber: Schwerin ist ja trotzdem schön.

Ich lasse den Zufall entscheiden, schreibe ein- und dieselbe Mail an Campingplätze in allen drei Regionen und beschließe, dorthin zu fahren, wo man mir als erstes antwortet. Dann verabrede ich den Hund mit seinen Urlaubssittern und warte ab.

Nach zwei Stunden habe ich die erste Antwort. Es wird Schwerin. Schlau ist das nicht, denke ich, für fünf Nächte so eine weite Reise. Aber ich wollte den Zufall entscheiden lassen und werde da jetzt auch nicht dran rütteln. Also packe ich die Klamotten ins Auto, verzichte auf einen Blick in meine Packliste (ich habe kaum was ausgeräumt seit ich vorgestern Abend vor der Tür geparkt habe) und bringe den Hund zu meinen Eltern. 

Dann stelle ich den Wecker auf 05.05 Uhr – so sollte ich vor dem Berufsverkehr zumindest den nervigsten Teil der A1 hinter mir haben.

Das Aufstehen fällt erstaunlich leicht. Schon um 05.40 Uhr klemmt das Fahrrad am Auto und ich drehe den Zündschlüssel um. Um kurz vor 11.00 Uhr, sagt das Navi, werde ich in Schwerin sein. Mit Pause wird es natürlich etwas länger dauern. 

Auf der Fahrt überlege ich, ob das so clever ist, was ich hier mache; In eine Stadt reisen, wo man jemanden kennt, den man mag, den aber dan nicht treffen können, klingt ziemlich dämlich – vielleicht hätte ich doch in die Eifel fahren und Schwerin so lange auf Eis legen sollen, bis beim Schweriner Licht am Ende des To-Do-Listen- Tunnels ist. Ich weiß es nicht, einige mich aber darauf, mir sein „Andererseits: Schwerin ist ja auch ohne mich schön.“ auf die Fahne zu schreiben. In der Eifel oder am Niederrhein wäre ich auch alleine unterwegs. Und: ich bin ja grundsätzlich auch ganz gern allein unterwegs. Klingt komisch, wenn man es nicht kennt. Aber kann auch sehr erholsam sein, ganz in Ruhe sein eigenes Ding zu machen. 

Schon vor Mittag fahre ich auf meinem Stellplatz in Mueß das Aufstelldach hoch. Bisher habe ich einen Nachbarn, der aber ein ganzes Stück entfernt steht. Ansonsten ist hier nichts los. 

Meiner Urlaubsroutine folgend nehme ich als erstes das Fahrrad vom Heckträger und mache eine Erkundungstour. Auf dem Fahrradweg in Richtung Stadt fällt mir auf, dass ich eine ziemlich fantastische Reisezeit erwischt habe. Rechts von mir plätschert der See, aus allen anderen Richtungen riecht es so sehr nach Flieder, dass ich Tempo rausnehme und mich über den Duft freue. (Sollte das nicht eigentlich erst im Juni so sein?)

Rund ums Schloss scheint die Sonne auf die bunt blühenden Beete, Touristen quetschen sich an einer Baustelle vorbei über die Brücke in Richtung Fußgängerzone. Vor der Staatskanzlei warten Fahrer neben blankgeputzen Limousinen. Fernsehteams hoffen auf Politiker- O-Töne. Sogar die Bimmelbahn, deren Name mir immer entfällt, ist mir schon begegnet. Alles wie immer, denke ich, bis auf die unfassbare Menge an frisch geschlüpften Mücken in Seenähe. Die waren mir bisher erspart geblieben. Eine solche Menge Mücken, dass ich trotz Sonnenbrille mit zugekniffenen Augen und geschlossenem Mund versuche, ohne einzuatmen davon zu kommen. Mein Pullover ist schwarz gesprenkelt. Abends beim Duschen werde ich Mücken an Stellen finden, die noch nie eine Mücke zuvor gesehen hat. 

Bis dahin lasse ich mich ein wenig durch die Stadt treiben, kaufe Sushi, suche dann viel zu lange einen gemütlichen Platz zum Essen, besuche die Blumenfrau und sitze auf der Schwimmenden Wiese in der Sonne.

Abends, zurück am Brummi, mache ich den Grill an und mich danach unter der Dusche auf die Suche nach Mückenkadavern.

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