Eigentlich ist alles perfekt. Das Wetter verspricht vorsichtig, trocken zu bleiben, das E-Bike ist frisch gewartet und die Räder des Anhängers sind aufgepumpt. Snacks, Kleidung und Flickzeug sind verstaut. An der Technik wird es nicht hapern, wenn wir uns gleich auf den Weg machen, von Essen nach Xanten.
Aber an mir, an mir könnte es scheitern. Noch nicht mal eine ausgiebige Tagestour habe ich im Frühling und Sommer bisher gemacht. Ja, im Urlaub sind wir aufs Rad gestiegen, täglich fast, aber mehr als 45 Kilometer saß ich dabei nie im Sattel. Die Zeit war für Eisdielenbesuche und Stadtbesichtigungen draufgegangen und das Fahrrad eher Transportmittel als Hobby gewesen.
Als ich mich am Vorabend der Holland- Reise aufs Sofa werfe und meine Packliste abhake bekomme ich eine Nachricht von Tina, meiner Radelbegleitung. Sie fragt, ob ich alles habe. „Bisschen Schiss hab ich…“ tippe ich ins Handy, „…dass ich mir da zu viel vorgenommen habe.“ Sie beruhigt mich. Die E-Bikes werden uns schon ans Ziel schieben. Na gut. Tina wird es wissen.
Morgens, sehr früh, stelle ich den gepackten Anhänger in den Brummi, lade das Fahrrad auf und fahre los. In Essen, oberhalb des Baldeneysees, sind wir verabredet. Vor uns liegen heute 76 Kilometer. Die ersten, immerhin, schiebt mich der Anhänger bergab zwischen den Feldern Fischlakens runter ans Ufer. Dort halten wir uns links und fahren ab jetzt ziemlich genau Richtung Nordwesten.
Wer in Essens Süden startet und an den Niederrhein will hat zwangsläufig die Aufgabe, das westliche Ruhrgebiet einmal zu durchqueren. Essen, Mülheim, Oberhausen, klingt erstmal nicht nach ansprechender Fahrradtour. Die Straßenabschnitte allerdings halten sich sehr in Grenzen. In Essen strampeln wir noch ein paar Minuten am Fahrbahnrand von der Ruhr in Richtung A52, dürfen da aber auf einen der vielen Radwege auf ehemaligen Bahnanlagen einbiegen, die Komoot uns für die Route vorgeschlagen hat. Von nun an geht es, nahezu ohne Kontakt zum motorisierten Verkehr, über gut ausgebaute Wege bis an den Rhein- Herne- Kanal. Wir lassen die Autobahn links und den Gasometer rechts liegen, wuckern mit gemeinsamer Kraft Räder und Hänger über einen hüfthohen umgestürzten Baumstumpf und erreichen bester Laune den sogenannten „Grünen Pfad“, wieder so einen tollen Bahntrassenradweg, der uns schließlich, Duisburg Marxloh und Röttgersbach ignorierend, direkt am Rhein wieder ausspuckt.
Die erste Fährfahrt des Wochenendes setzt uns unkompliziert über nach Orsoy. Hier, ungefähr auf halber Strecke, haben wir den Ruhrpott endgültig hinter uns und dürfen von nun an den Rhein in Richtung Niederlande ein ganzes Stück begleiten.
Dass dies hier die erste lange Tour des Jahres ist macht sich nun allerdings bemerkbar, als jede Faser meines Körpers und erst recht die Fasern, die seit heute morgen Kontakt zum Sattel pflegen, nach einer längeren Rast im Vogelschutzgebiet wieder überzeugt werden sollen, aufzusteigen. „Alter, hab ich Arschweh…“ denke ich gerade so laut, dass Tina es nicht mitbekommt. Denn wenn ich auf so einem Ausflug eins nicht sein will, dann die, die nörgelnd die andere mental mit runterzieht. Weiter geht es also, vermutlich mit leicht lädiertem Lächeln, bis wir zufrieden, aber doch auch einigermaßen erledigt, am späten Nachmittag in Xanten ins „Xotel“ einchecken.
Dass wir nachher noch die 900m in die Stadt fahren um uns erst mit einem okayen Eis, dann mit mäßigen Schnitzeln und zur Versöhnung mit einem weiteren, herausragenden Eis (so kommt’s, wenn man die Eisdielenempfehlung der Kollegen nur halbherzig liest) zu versorgen, habe ich meinem Arschweh noch nicht erzählt. Aber 900m… die kann man ja im Prinzip auch im Stehen fahren.
Und für die 73 Kilometer morgen wird mir hoffentlich noch eine Lösung einfallen…
















