Dieppe 2 – Hauts de France / Basse cuisine

Ich breche das Baguette in zwei Hälften und quetsche es gegen seinen Willen in meinen Rucksack. Zusammen mit einer Tube Aioli, ein paar Trauben und ein paar Möhren nennen wir das dann Abendessen. Die Aussicht wird es rausreißen. Schließlich haben wir recht spontan entschieden, uns den zusammengesuchten Kram an der Promenade einzuverleiben, während irgendwo da hinten, grob über Plymouth, die Sonne ins Wasser fällt.

„Richtig“ gegessen haben wir außerdem vorhin am Hafen von Dieppe. Obwohl das Wort richtig hier schon sehr freundlich gewählt ist. Ich muss wohl eher zugeben, dass wir im wohlklingenden „Café de Paris“ auf Touristennepp reingefallen sind. Oder, auch das halte ich für möglich, die Franzosen essen ihre Pommes immer so labbrig und den Burger ohne jede Sauce. Naja, man muss auch verlieren können.

Dass heute nicht unser kulinarisch herausragendster Tag werden sollte hatte sich eigentlich schon beim Frühstück abgezeichnet. Zu dem vorbestellten Baguette aus dem Camping- Shop, den beiden Croissants und dem Pain au chocolat fehlte uns der passende Aufstrich. Glücklicherweise hatte über Nacht eine Parzelle weiter eins dieser Selbstausbauer- Vanlife- Insta Pärchen seinen nahezu fensterlosen Citroen Jumper eingeparkt. Philipp, ein hagerer junger Mann mit zu kurzer Jeans und pfiffiger Schiebermütze hatte wohl Schiss, dem günstig geschossenen Jumper ein Loch in die Tür zu sägen. Schade für die Beiden

Wir aber hatten Glück, denn wir haben nicht nur ringsum beste Bulli- Aussicht, sondern mit dem Vanlife-Couple auch freundliche Nachbarn, zu deren #Vanlife- Feeling auch ein zünftiges Nutella- Frühstück gehört. Philipp und seine pink beschopfte Puck-Brillen-Trägerin (ihr Name blieb uns leider verborgen, aus meiner Sicht eine klassische Tamara, Freunde dürfen sicher Tammy sagen) erkannten jedenfalls unsere Frühstücksnot und bereicherten unsere spröde Croissant- Situation mit einem freundlich über die Hecke gereichten Glas echten Borkener Import- Nutella. Weltklasse.

So gestärkt stiegen wir auf die Räder und ich übertreibe nicht, wenn ich hier noch einmal deutlich sage: Tammy, Philipp, ohne eure Spende wäre die anschließende Tour an die Steilküste ein gewaltiges Stück trauriger gewesen.

Vom Campingplatz aus hat man in gemütlichen drei E-Bike-Minuten den Kiesstrand erreicht und steht an einem flachen Stück Küste, von dem aus man in beide Richtungen zu hohen Kreideklippen hinauf schaut. Wir entschieden uns spontan, erst einmal nach links abzubiegen, in der Hoffnung dort am Fuße der Klippen einen schönen Blick in Richtung Dieppe zu haben. Zwischen quietschgelbem Raps, vorbei an unzählbaren Millionenanwesen (wo haben die hier alles das ganze Geld her?) und auf verschlungenen Pfaden mussten wir demnach erstmal rauf auf den Hügel, um dann auf recht direktem Wege wieder runter zu rollen, durch einen schmalen Felseinschnitt, direkt bis ans Meer.

Die Küste hier ist rau, die Strände bestehen aus rund gewaschenen groben Kieseln, die machen, dass man die Wellen schon lange hören kann, bevor man sie sieht. Es rauscht und grummelt pausenlos und ich möchte nicht wissen was passiert, wenn ein unvorsichtiger Tourist die zahlreichen Warnschilder in den böigen Wind schlägt und doch versucht, sich die Füße abzukühlen. Mitgerissen wird er vermutlich, und genauso rund gewaschen wie die Kiesel. Nur hören wird man ihn dann nicht mehr.

Wir halten also ehrfürchtig trockenen Fußes Abstand und verbringen eine ganze Weile zwischen den beeindruckenden Felsen damit, Hühnergötter zu suchen und die Natur aus allen möglichen Perspektiven zu fotografieren.

Irgendwann aber lockt uns dann der Hunger zurück auf die Fahrräder, das heißt, wir trampeln wieder Klippe hoch, Klippe runter, vorbei an unserem Urlaubsort, auf der anderen Seite wieder Klippe rauf, Klippe runter an der Burg entlang nach Dieppe.

Immer wieder, wenn die Straße einen schönen Blick auf die Steilküste hergibt, bleiben wir stehen, sagen einander, was für eine bescheuerte Idee dieser Reise war und wie hässlich hier alles ist, lachen dann laut und radeln weiter. Dass der eine oder andere Millionär genau diese Region zum Bau seines Urlaubsanwesens auserkoren hat ist mehr als verständlich.

Zurück in Dieppe ist der Hafen unser Ziel. Irgendwo hier sollte es doch eine Kleinigkeit für uns geben. Wir landen in einem Café mit Snackgelegenheit. Die Menschen davor essen Muscheln mit sehr lecker aussehenden Pommes. Wir entscheiden uns für die Variante Burger mit Pommes und werden von einem herausragend netten Kellner betreut, der sich auf Englisch und sehr gemächlichem Französisch, Grundschullehrerhaft zu mir gebeugt bemüht, meine hochkomplizierte Bestellung (2 Cola, 2 Bacon Burger) zu verstehen.

Dass die Sache mit den Fries dann zum Reinfall wurde und der Koch offenbar nicht ganz so motiviert war wir der Service erzählte ich ja bereits.

Satt und mittelzufrieden schieben wir die Räder weiter am Hafen entlang. Ein Crêpe könnte mich vielleicht mit der angespannten Versorgungslage versöhnen. Auf dem Rückweg wird sich in Dieppes 100 Boulangerien wohl ein Pfannkuchen für mich finden. Erstmal aber ist noch der Hafen dran.

An der Seebrücke versucht ein verdächtig ausgeblichenes Schild Besuchern das Betreten des Stegs zur Hafeneinfahrt auszureden. Nach kurzer Überlegung und mit Blick auf die zahlreichen noch lebenden Angler entscheiden wir uns, todesmutig den anderen Spaziergängern zu folgen. Bei Ebbe und eher schwacher Brandung wird uns Neptun für diese Regelübertretung schon nicht übers Geländer ins Meer werfen. Wir beobachten ein Ausflugsschiffchen und zwei kleine Trawler. Das Ablegen der Fähre nach Newhaven verpassen wir knapp, wollten da aber eigentlich eh nicht so gerne hin. Obwohl: Fries können die am anderen Ärmelkanalufer erfahrungsgemäß besser.

Aber zurück zu den lokalen Köstlichkeiten. Dass der ältere Mann am Crêpestand der seelenlosen Betonpromenade kaum noch Zähne hat deute ich als Hinweis auf schmackhafte Teigware. Er scheint sein Handwerk zu verstehen und auch gern mal den einen oder anderen Nutellacrêpe zu snacken. Der Crêpes- Index (CRIX – Portionspreis mit Nutella) steht bei erschwinglichen zwei Euro. Ich schlage zu und werde nicht enttäuscht.

Noch ein bisschen satter und deutlich zufriedener E-biken wir schließlich, ihr wisst schon: Klippe hoch, Klippe runter, zurück zu unserem Campingplatz und halten unterwegs noch für ein Baguette to go und Frühstückszubehör beim Carrefour City, bevor dieser kulinarisch durchwachsene Tag beim Sonnenuntergangsimpropicknick das Ende findet, das er verdient hat.

Morgen früh ziehen wir weiter und ich bin gespannt, welche Raritäten der nordfranzösischen Küche uns in Stella Plage so erwarten.

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