Glindowsee. Hatte ich noch nie gehört. Jetzt biege ich in eine sehr schmale Seitenstraße ab. Das Internet sagt, dass, wer hier zum Einchecken falsch parkt, direkt mit einem horrenden privaten Knöllchen rechnen muss. Mein Vorsatz ist also, den Brummi gleich allen Regeln entsprechend ganz brav an einem legalen Ort warten zu lassen.
Entgegen aller Befürchtungen weist der Campingplatz direkt am Eingang einen Wartebereich für die Anmeldung aus. Ich gebe mir, von der Inkasso-Knöllchen- Rezension bei Googlen noch immer eingeschüchtert, größte Einparkmühe und suche die Rezeption. Auch hier, warnt das Internet, könne man anecken. Die Chefin sei garstig und soll den einen oder anderen Google- Rezensenten grundlos angefaucht haben. Ich setze also auf überbordende Freundlichkeit und treffe, hinter einen brusthohen Tor, auf eine kleine, sofort sympathische Dame, die sich mit Namen vorstellt, sich entschuldigt, dass die Rezeption eine schlecht ausgeschilderte Notlösung sei, sie noch kurz den Müll wegbringe, mich dann aber wirklich sofort einchecke.
Angemault zu werden ist nach der Sache mit dem Parken schon die zweite Sorge, die sich innerhalb von Sekunden in Luft auflöst. Beim Anmelden werde ich freundlich mit Kurkarte, Flyern der Region und Infos zum angrenzenden Badestrand versorgt. Dann folgt eine detaillierte Einweisung in die Schlüsselkarte. Die nächsten zwei Tage verbringe ich damit, diese Karte alle paar Meter an einen Durchgang zu halten, um passieren zu dürfen. Im Sanitärgebäude, dessen Tür ich von innen mit der Klinke öffnen kann, weist mich ein großer Zettel darauf hin, bei Verlassen des Duschbereichs mit der Schlüsselkarte „ordnungsgemäß auszuchecken“. Offenbar werden hier Daten übers Rein und Raus der Gäste erhoben. Natürlich mache ich das nicht. Das Sicherheitssystem des Platzes vermutet nun wahrscheinlich, dass ich das Sanitär seit Dienstag, 16.00 Uhr nicht mehr verlassen, trotzdem aber alle möglichen Törchen zum Badesteg, Bootssteg, Müllplatz und zurück zu meinem Stellplatz bedient habe. Vielleicht hat mein ungehöriges Nichtauschecken zu diversen Sicherheitswarnungen und Computerabstürzen geführt. Ich finde aber, dass die freundliche Dame nicht wissen muss, wie lange ich im Sanitär für die Eins, die Zwei oder die Dusche brauche…
Die Tage verbringe ich auf dem leider stark von Algen befallenen Glindower See und mache einen wirklich schönen Fahrradausflug ins beschauliche Potsdam. Die Radwege sind super ausgebaut, Autos begegnen mir nur wenige und auch der Hund kommt in den Wäldern auf seine Jogging- Kosten. Eigentlich wollte ich mir in Ruhe Sanssouci anschauen, mache aber wegen 36°C Hitze und der unerbittlich auf die Freiflächen ballernden Sonne nur einen japanischen Fotostopp und verziehe mich zügig unter einen Sonnenschirm in der Fußgängerzone. Angesichts des Wetters entscheide ich mich für Chicken Teriyaki mit Jasminreis und Salat, nenne es aber, um die Betriebsabläufe nicht zu stören, der Karte entsprechend „Teriyaki Bowl“. Die Nähe zu Berlin und seinen Hipstern ist auch an Potsdam nicht spurlos vorüber gegangen.
Als ich am späten Nachmittag mit dem schon gewohnten „Düdüt“ der Schlüsselkarte zurück auf den Platz fahre bin ich froh, Ivos neuen Anhänger abzukuppeln und ohne große Umwege mit dem SUP auf den See zu starten. Der Algen wegen verzichte ich aufs Schwimmen und begnüge mich damit, hier und da an- und die Beine ins Wasser zu halten. Auch Ivo stellt sich am Ufer immer wieder bis zur Flauschplautze in den See. Davon, daraus zu trinken, rate ich ihm sicherheitshalber eindringlich ab.
Abends erscheint plötzlich ein Nachbar auf meiner Parzelle und wundert sich, dass der Hausmeister das so überhaupt nicht locker sieht. Der Mann, Typ „zerstreuter Camping- Professor“, fragt, ob er meinen Camper mal von innen sehen dürfe, er habe seinen T6 selbst ausgebaut. Wir einigen uns darauf, dass ich dann aber auch mal gucken darf. Schon verrückt, was manche Menschen sich einbilden, bauen zu können. Im WDR gab’s mal eine Handwerker- Doku mit dem treffenden Titel „Soll das so…?“, in der Handwerkerprofis Heimwerker retteten, wenn deren Projekte zu arg am Ziel vorbei schossen. Dieses arme Auto hier wäre ein Kandidat für die nächste Staffel. Und die übernächste. Schade um den schönen Bulli.
Die Abende beschließe ich mit Salat und Pitabrot und lausche dabei den drei Dauercampernachbarn gegenüber, die über die Chefin, ihre Handlanger und den Zustand der Anlagen lästern und am zweiten Abend leise alte Maffay- Hits singen, weil „Mannis Plutuh-Box keinen Saft mehr hat.“
Zum meiner Linken schlafen müde Camping- Kinder bei offenem Wohnwagenfenster mit „Bibi und Tina und der Waldbrand“ ein und ich hoffe, dass ich bei Warnstufe vier von fünf dem Thema in diesem Urlaub nirgends näher komme als hier.
Bei meiner Abreise werfe ich Karte nach einem letzen Düdüt in den Briefkasten und bin froh, weiterzuziehen. Ich freue mich auf einen klaren See, einen grünen Platz, mehr Schatten und weniger Düdüt. Keine Ahnung, vor was für Eindringlingen man hier Angst hat. Jedes dieser Tore kann man, wenn man nur will, leicht überklettern und von der Seeseite den Platz sowieso gut erreichen (sofern man eins der wenigen nicht eingezäunten Stücke Ufer zum Einsetzen seines Piratenschiffs findet), aber angesichts der überall hier stehenden beeindruckenden Zäune, Tore und Stacheldrähte scheint man in Brandenburg ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis zu spüren.
Mal schauen, wie sicher ich mich in MV ohne pausenloses. Düdüt fühle. Zum Glück habe ich ja meinen kleinen Wachhund dabei. Der macht bei Bedarf auch Geräusche. Aber andere.